Erinnerungen an das alte Kino
Geplanter Umbau des alten Plankstädter Kinos zu Wohnungen weckt Erinnerungen
Im alten Kino am Bruchhäuserweg tut sich was! Wie zu erfahren war, beabsichtigen die Besitzer des Gebäudes, in welchem sich früher zuerst der Saals der Restauration „Zum Rosengarten“, später dann die „Rosengarten-Lichtspiele“, also das Plänkschter Kino befand, den bisherigen Zweck aufzugeben und zu Wohnungen umzubauen.
Viele ältere Plänkschter werden vielleicht auch mit etwas Wehmut an die alten Zeiten zurückdenken, als das Kino noch eine feste Größe unter den Plankstädter Vergnügungsstätten war. Zunächst war es nur durch die Hofeinfahrt über den Hof zu erreichen (der Umbau zur heutigen Außenansicht erfolgte 1955), direkt neben der Staffel war hinter einem kleinen Fenster der Kassenraum untergebracht. Aber gerade diese Zeit in den 50-er Jahren gehörte zu den wichtigsten Kino-Zeiten für angehende „Plänkschter Helden“!
Die Nachmittagsvorstellung an Sonntagen für Kinder und Jugendliche begann um 14.30 Uhr –für manche nach der Pflicht-Nachmittagsandacht in der Kirche gerade noch rechtzeitig erreichbar. Damals war der Vorplatz der Gastwirtschaft „Zum Rosengarten“ noch mit einem Eisengitter eingezäunt, hinter dem sich eine kleine Gartenwirtschaft befand. Auf dem Bruchhäuserweg wartete die Plänkschter Jugend auf das Signal. Manchmal war die Straße richtig schwarz vor Menschen – je nachdem, was für ein Film lief. Zumeist liefen in diesen Nachmittagsvorstellungen Wild-West-Filme wie „Zorro, der Mann mit der Peitsche“, „Lassie la Rock, der Rächer der Enterbten“ oder einer der beliebten „Fuzzy-St.Jones-Filme“, aber auch „Tarzan“ oder Monumentalfilme wie „Herkules“ erfreuten sich großen Zuspruchs der Jugend.
Kurz vor halb drei öffnete sich das große Hoftor einen Spalt breit und ließ einen ersten „Schwung“ jugendlicher Zuschauer ein. War das Kontingent, das die Kassenbesatzung gerade schaffen konnte, erreicht, ließ der junge kräftige Mann am Tor den Arm herab und versperrte weiterem Andrang den Zugang, um erst nach Abfertigung der ersten die nächste Gruppe zur Kasse zu lassen. Endlich waren alle drin und hatten ihre Plätze eingenommen. Zumeist war der Kinosaal bis auf den letzten Platz besetzt, auch die „Rasiersitze“ ganz vorne, so benannt, weil man zum Schauen den Kopf wie zum Rasieren nach hinten legen musste.
Ohrenbetäubendes freudiges Gejohle setzte ein, wenn sich dann endlich die Lampen verdunkelten, der Gong ertönte, der Vorhang sich bewegte und die Leinwand freigab. Jedem Beobachter musste absolut klar sein: hier wurde was geboten! Nach dem meist lehrreichen, aber langweiligen Vorfilm und der Wochenschau, die „aktuelle“ Weltereignisse zeigte, die auch schon einige Wochen zurücjlagen, noch schnell die Vorschau auf die kommenden Filme der nächsten Wochen und dann ging’s los. Wieder wurde der Beginn des Hauptfilms mit lauten Jubel und Beifall bedacht.
Dann hatte man sich zunächst mal auf die Handlung zu konzentrieren. Meist hatte man schnell herausgefunden, wer die Guten und wer die Schurken waren. Den Guten, meist kurz „der Starke“ genannt (denn mit englischen Namen hatte man es noch nicht so sehr), hatte man schnell herausgefunden, denn er hatte sympathische Gesichtszüge, war adrett gekleidet und seine Auftritte waren von entsprechend „positiver“ Musik untermalt. Der oder die Schurken, meist finstere Gesellen im Schmuddellook und von dramatischer, schicksalsschwangerer Musik begleitet, hatten einen schweren Stand im Kino! Saßen sie irgendwo hinter einem Felsen im Hinterhalt und „der Starke“ kam ahnungslos angeritten, wurde er vom ganzen Kinosaal lautstark mit „Achtung“- „Vorsicht“- und „Do hinne hockt er“-Rufen gewarnt. Alle fieberten enthusiastisch mit, bis am Ende das Böse besiegt war und die Guten einem Happyend entgegen ritten.
Nachdem dann das Licht wieder an war, strömten alle noch ganz von der Filmhandlung gefangen ins Freie.
Die Handlung wurde noch einmal durchdiskutiert und längst war das Abenteuer aber nicht beendet, denn meist beließ man es nicht beim Anschauen der Filme. Auf den Abenteuerspielplätzen Plankstadts, also in der Gänsweid, den Bellen, dem Dolleloch oder in den Hecken an der Bahn wurde nun und in den folgenden Tagen die Handlung nachgespielt, dazu bedurfte es manchmal auch selbstgefertigter Requisiten wie Holzgewehre oder Pfeil und Bogen; das Pferd musste man sich dazu denken, was aber kein Problem war. Die Kinder und Jugendlichen waren – anders als heute – voller Phantasie in ihrem Spiel und nur äußerst selten hörte man etwas von kleineren Kratzern oder gar Verletzungen bei diesen Spielen.
Noch ein Wort zum Kinoprogramm dieser Zeit: Natürlich wurde nicht nur für die Jugend und die Heranwachsenden etwas geboten; es kamen alle Altersklassen auf ihre Kosten und zu ihrem Vergnügen: Heimat- und Musikfilme, „modernere“ Musik mit Conny (Froboess) und Peter (Kraus) und Peter Alexander; allerhand Klamaukfilme (Kommödien), Filme mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle und historische Stoffe mit Hollywood-Zuschnitt wie beispielsweise „Die Brücke am Kwai“ oder „Die Kanonen von Navarone“ beherrschten die Leinwände. Unvergessen das Ereignis, als 1959 der Monumentalfilm „Ben Hur“ in die Kinos kam. In Schwetzingen lief der Film im Rex-Kino, dem ehemaligen Falken-Saal an der Clementine-Bassermann-Straße.
Da der Film drei Stunden dauerte, fürchtete man wohl Schwächeanfälle bei den Zuschauern und bot in der Pause (schließlich mussten noch die Filmrollen gewechselt werden) heiße Würstchen mit Senf und einer Scheibe Brot im Foyer des Kinos an. Der mit 11 Oscars ausgezeichnete Film ist in seiner Popularität bis heute unerreicht. - Das erotische Moment war in den meisten Filmen lediglich angedeutet, auch bei den gern gesehenen Filmen mit dem Sex-Idol der Nachkriegszeit, de französischen Filmstar Brigitte Bardot. Allenfalls in den üblichen Spätvorstellungen der Kinos war etwas mehr Haut zu sehen, aber auch da hatte der Staat ein Auge darauf, dass sich alles im vorgeschriebenen Rahmen hielt. Viele werden sich noch an den Skandal erinnern, den 1963 der vielfach preisgekrönte Film „Das Schweigen“ des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergmann auslöste. Erstmals war in einem Kinofilm im Halbdunkel Liebesszenen leicht verschwommen zu sehen. Seine erste Aufführung in Deutschland 1964 führte zu einem Sturm der Entrüstung und provozierte eine Welle von Diskussionen darüber, wie weit erotische Szenen in einem künstlerisch anspruchsvollen Film vertretbar seien. Heutige Generationen könnten angesichts der aktuellen Darstellungen in Film und Fernsehen zu jeder Tages- und Nachtzeit nur noch müde lächeln.
Doch zurück zum Plänkschter Kino: Natürlich hatte das Kino wie überall auch noch ganz andere Funktionen wichtiger Natur. Nach dem Umbau der Rosengarten-Lichtspiele hatte man ein Kino ähnlich den Großstadtkinos mit Parkett, Sperrsitz und Logen. Besonders die Logen hatten es der jüngeren Generation angetan, denn dort im Dunkeln fanden häufig erste Annäherungsversuche zwischen den Geschlechtern statt und oftmals blieb es nicht nur bei den Versuchen. Da gab es unter den „Halbstarken“ richtige „Könige der Loge“, gern gesehene junge Männer, die bei den ebenso gern gesehenen jungen Damen einen gewaltigen Stein im Brett hatten. Doch war auch hier Vorsicht geboten, denn erwischen lassen durfte man sich vom wachsamen Kinopersonal in Gestalt der Familie Böhm nicht! Dann konnte es nämlich passieren, dass man des Kinos verwiesen wurde.
Natürlich muss man berücksichtigen, dass die Kino-Loge bei den meisten auch die einzige Möglichkeit war, erste Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu sammeln, denn daheim war man bei weitem nicht so tolerant und freuzügig wie dies heute oft der Fall ist, „sturmfreie“ Zimmer waren bei den beengten Wohnverhältnissen äußerst selten und so blieb der dunkle Kinoraum für viele oft die einzige Möglichkeit für erste Erfahrungen.
In Zeiten, in denen das häusliche Fernsehen noch nicht selbstverständlich war – oft gingen Familien noch zum samstäglichen Abendprogramm ins Cafe Kiefer oder ins Rathaus-Cafe, um sich an Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff und ihren Quiz-Shows zu erfreuen – hatte natürlich auch der Kinobesuch eine ganz andere Bedeutung. Nach den überstandenen Schrecken der Kriegszeit kamen die Heile-Welt-Filme wie „An der schönen blauen Donau“, „Die Trapp-Familie“ oder „Die Abenteuer des Grafen Bobby“ gerade recht und ein überhebliches Lächeln darüber ist nicht angebracht. Die gelegentlichen Kinobesuche waren für viele die einzige Abwechslung im arbeitsreichen Nachkriegsalltag der frühen 50er-Jahre.
UK (Foto: Kobelke)