Das „Feldwejjele“ (= Feldwägelchen) - Ein wichtiges Fahrzeug der Vergangenheit ist (fast) „ausgestorben“

verschiedene Nutzer des Feldwejjele

Maigdscheeß, Feldwejjele, - das waren Begriffe, die einem eigenartigen Gefährt zugeordnet waren, das heute fast ganz aus dem Straßenbild Plankstadts verschwunden ist.

Neben einigen älteren Damen kann man aber einen immer noch häufig damit sehen: Hausmeister Erwin Gaa von der Friedrichschule befördert mit ihm nach wie vor Verbrauchsmaterial vom Rathaus in die Schule, wie auf einem Foto zu sehen ist. Die meisten Plänkschter verfügten früher über ein solches Gefährt und das war wichtig in einer Zeit, wo zumeist das Fahrrad das einzige technische Fortbewegungsmittel in den Haushalten war. Wie wir noch sehen werden, gab es häufig etwas zu transportieren und nicht jeder hatte gleich einen Bauern zur Hand, der ihm mit seinem Fuhrwerk behilflich war. Außerdem war das meist auch gar nicht nötig, denn die Lasten waren nicht so groß, dass man fremde Hilfe in Anspruch nehmen musste.

Die zwei eingangs genannten Dialektbegriffe Maigdscheeß und Feldwejjele zeigen deutlich den Verwendungszweck auf, für den diese Gefährte bestimmt waren. Zum einen boten viele Kleinbauern ihre Erzeugnisse auf dem Schwetzinger Wochenmarkt an und mussten diese natürlich dorthin befördern, zum anderen diente das Feldwejjele natürlich dem Kleinbauern dazu, seine Gerätschaften damit zu seinem Ackergrundstück in der Feldflur und Ernteprodukte von dort zurück nach Hause zu befördern. Wer als Nebenerwerbslandwirt nach seiner normalen Arbeitszeit gegen Abend aufs Feld ging, konnte keine zentnerschweren Kartoffellasten mehr einbringen, dazu reichte das Feldwejjele. Wollte man einen ganzen Acker abernten, bedurfte es sowieso der Mithilfe eines Bauern, der über Zugpferd und Wagen verfügte. Zwischen diesen beiden Fahrzeugen gab es noch den zweirädrigen Karren mit zwei Holmen, der mit eigener Muskelkraft gezogen oder geschoben wurde, den sogenannten „Lannekaisch“ oder „zwoarädderische Kaisch“, den sich jedoch nicht jeder leisten konnte und der auch weniger handlich als das „gattische“ Feldwejjele war.

Zunächst bestand das Feldwejjele aus einem geflochtenen quaderförmigen Korb, einem Untergestell aus Eisen und vier Holzrädern, die mit einem Eisenreif beschlagen waren. Viele der Wägelchen, die schon etliche Jahre auf dem Buckel hatten, liefen nicht besonders rund und hielten meist auch nicht die Spur, da alles etwas ausgeleiert war. Eine regelmäßige Pflege oder auch mal eine Erneuerung einzelner Teile war schon erforderlich. Ersatzräder gab es beim Wagner – z.B. beim Wagner Reiser in der Friedrichstraße. Eisenteile konnte man beim Schmied machen lassen und wenn der Korb defekt war, ging man zum Eduard Stripf, der zwar Bahnbeamter war, aber in seiner Jugend das Korbflechterhandwerk erlernt hatte. Wer sein Feldwejjele so immer „in Schuß“ hielt, konnte seine Dienste über viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Da die Holzräder mit dem Eisenreifen nicht nur reparaturanfällig und nicht gerade leichtgängig waren, wurden in späteren Jahren die Holzräder durch Gummiräder ersetzt, was die Fahrzeuge auch erheblich leiser werden ließ.

Über die eingangs beschriebenen Verwendungen des Feldwejjeles hinaus gab es noch viele andere Einsatzmöglichkeiten. In den Jahren, als es noch keine geregelte Müllabfuhr gab, der Abfall im Haus jedoch stetig anwuchs, fuhr man bei Bedarf mit seinem vollgeladenen Feldwejjele „ins Dreckloch“ – der Ausdruck „Schuttabladeplatz“ ist späteren Ursprungs und kaschiert nur leicht die Tatsache, dass man alles, aber auch wirklich alles, was im Haus entbehrlich war, dorthin schaffen konnte. Eine Mülltrennung, auch eine Trennung von Giftstoffen und anderem Abfall war völlig unbekannt und niemand wäre auf die Idee gekommen, sich über so etwas auch nur entfernt Gedanken zu machen. Damit im Dreckloch der Unrat einigermaßen geordnet – oder was man eben damals unter geordnet“ verstand – unter die Erde kam, sorgte ein Faktotum für diese Ordnung, die er natürlich selbst bestimmte. Erinnerlich ist in diesem Zusammenhang ein Mann mit dem Uznamen „Schuß“ sowie später der „Hasen-Jackl“, auch „Badschhändl“ genannt, ein arbeitsloser Behinderter, der mit seiner finster anmutenden, nicht sehr gepflegten Erscheinung so recht an diesen Ort zu passen schien. Mit einem „Kartoffelkratzer“ sortierten sie den Unrat etwas - wahrscheinlich bekamen sie für Altmetall noch ein paar Mark von einem Schrotthändler – und sorgten dafür, dass man beim Abladen aus dem Feldwejjele nicht den Abhang hinunter stürzte, da ja die Ränder des Lochs unbefestigt waren. Wenn der Großvater mit seinem Feldwejjele ins Dreckloch fuhr, so war das natürlich für Buben in der Nachkriegszeit schon ein kleines Abenteuer, denn zu sehen gab es meist etwas, was man noch nicht kannte, eventuell war auch etwas zu finden, was man „gut brauchen“ konnte und der Anblick des finsteren „Badschhändls“ machte den Gang ins Dreckloch sowieso für jüngere Buben zum kleinen Abenteuer!

Doch hatte das Feldwejjele noch weitere wichtige Aufgaben zu erfüllen: Die meisten Haushalte verfügten in der Nachkriegszeit noch nicht über die technisch ausgereiften Backöfen wie dies heute der Fall ist. Bei den Kohleherden war eine exakte Backtemperatur nur schwer zu erzielen und so brachte man die Kuchen oder auch selbst hergestelltes Brot zum Bäcker, um es dort fachkundig backen zu lassen. Dazu bedurfte es des Feldwejjeles, wenn es mehr als nur ein Kuchen war – und das war es bei großen Familien meistens. Auch Brot wurde ja nicht einzeln hergestellt, sondern es waren immer eine ganze Anzahl Laibe, die befördert werden mussten. Da aber die Backwaren im Rohzustand nicht gestapelt werden konnten, war für die Feldwejjelin eine besondere Vorrichtung vonnöten, die man natürlich auch in Eigenarbeit herstellen konnte. Es wurden am oberen Rand des Korbes zwei Halteschienen eingehängt und darüber wurde ein Brett in der Größe des Korbes gelegt. Auf diese Weise hatte man eine zweite Etage und konnte so mehrere Kuchen oder Brote zum Bäcker und wieder zurück befördern. Meist entwickelte sich in der Backstube auch noch ein Gespräch mit den dort anwesenden Bäckern und so bekam die wöchentliche Bäckerei auch einen durchaus wichtigen kommunikativen Charakter. – Man muss sich hier vor Augen halten, dass damals in den Backstuben auch noch nicht unbedingt im Akkordtempo gearbeitet werden musste; bei über 20 Bäckereien in Plankstadt war ein individueller Umgang mit dem Kunden noch selbstverständlich und Zeit für ein Schwätzchen blieb allemal. Heute dürfte der Kunde vielleicht schon wegen der Hygienevorschriften noch nicht einmal die Backstube betreten.

In Plankstadt gab es sogar noch eine berufliche Nutzung der Feldwejjelin: die beiden Ölverkäufer, der „Öl-Peter“ und die „Öl-Ricke“ fuhren mit ihren Wejjelin durch die Ortsstraßen und verkauften den Haushalten das Speiseöl in offener Form, das dann auf der Straße in die Flaschen abgefüllt wurde. Lange Zeit wurden auch Getränke in kleinen Mengen von der Firma Wiest mit dem Feldwejjele ausgeliefert und sogar vom Transport nach Hause nicht mehr ganz nüchterner Zeitgenossen mit dem Feldwejjele wird berichtet!
Feldwejjelin wurden beispielsweise auch von Musikschülern genutzt, die ihr Akkordeon zum Unterricht zur Kolbs-Alice in den Waldpfad und wieder zurück befördern mussten. War etwas aus dem „Lagerhaus“ in Schwetzingen zu besorgen, kam selbstverständlich das Feldwejjele zum Einsatz, sogar um geringe Mengen Getreide in der Oftersheimer Mühle mahlen zu lassen, leistete das Feldwejjele seine Dienste. Einer zugezogenen jungen Dame lieh für einen Kleintransport der Dreschmaschinen-Schuhmacher großzügig sein Feldwejjele; als diese etwas pikiert das ihr unbekannte Gefährt betrachtete, meinte Friedrich Schuhmacher nur „Schäme dich des Evangeliums Jesu Christi nicht!“. Die junge Dame bezeichnete ab sofort das Feldwejjele zeitlebens als „Evangelium“. Natürlich war das Feldwejjele auch ein geeignetes Fahrzeug, um Trauben und anderes Obst in die Kelterei Hepp in der Friedrichstraße zu befördern, wo dann Most gepresst oder auch Schnaps gebrannt wurde.

Mit der Zunahme des individuellen Autoverkehrs verschwanden die meisten Feldwejjelin nach und nach aus den Ortsstraßen. Für die Autofahrer stellten sie sowieso ein Verkehrshindernis dar, denn man fuhr ja mit ihnen auf der Fahrbahn. Erzählt wird von einer Situation in der Hauptstraße, als ein alter Plänkschter mit seinem Feldwejjele auf den Straßenbahnschienen Richtung Kreuzgasse unterwegs war; hinter ihm natürlich eine Autoschlange, die wegen des Gegenverkehrs nicht überholen konnte. Ob auch die Straßenbahn zur Schlange gehörte, ist nicht mehr erinnerlich. So etwas konnte einen alten Plänkschter aber damals nicht erschüttern; mit einem „Die solle woarte bis Platz isch!“ oder gar „Die solle misch groad emoaschlegge!“ meisterte er souverän die brenzlige Situation. 

Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten des Feldwejjeles sind in heutiger Zeit nicht einmal von einem Autokofferraum zu überbieten; denn erstens war es leicht zu reinigen (was ja je nach Beförderungsgut beim Kofferraum nicht immer möglich ist) und zweitens kam man mit dem Feldwejjele auch dahin, wo man heute mit dem Auto nicht hinkommt.

Vorbei ist die Zeit der Feldwejjelin! Fristeten sie zunächst noch in Schuppen, Scheunen oder Remisen ein ungewisses Dasein, wurden sie nach und nach selbst zum Sperrmüll und wurden abgeholt oder – solange die Leute noch Kohleheizungen hatten – im eigenen Haushalt verbrannt. Einige wenige konnte man noch sehen, wenn mit ihnen ein paar Kleinkinder zum Kindergarten befördert wurden – eine Gaudi für die Kleinen!
So hat die moderne Zeit mit ihrer Technik ein Fahrzeug verschwinden lassen, ohne dessen Existenz sich mancher vor einem halben Jahrhundert noch das tägliche Leben gar nicht recht vorstellen konnte. Zum Glück steht noch ein altes Exemplar im Plankstadter Heimatmuseum, denn sonst wüsste man eines Tages gar nicht mehr, was ein „Feldwejjele“ eigentlich war!

UK
(Fotos: Kobelke und Gemeindearchiv)