Der heilige Bischof Nikolaus - Der Namenspatron der Plankstadter Pfarrkirche
Unter all den vielen Heiligen der katholischen Kirche ist der heilige Bischof Nikolaus wohl der volkstümlichste. In wahrhaft ökumenischem Sinn wird er geehrt, geachtet und geliebt. Zahlreiche Legenden ranken sich um das Leben des Bischofs, das er in Myra, einer Küstenstadt im Süden der Türkei zwischen den heutigen Touristenhochburgen Antalya und Fethiye, lebte.
Unter der letzten frühchristlichen Verfolgung unter Kaiser Diokletian (Kaiser von 284 – 305) dürfte er viel zu leiden gehabt haben; erst unter Kaiser Konstantin (Kaiser von 306 – 337), der das Christentum zur Staatsreligion erhob, konnte er nach Myra zurückkehren.
In der Ostkirche gehörte er zu den herausragenden Heiligen, in der Rangfolge unmittelbar nach der Gottesmutter Maria. Er ist der Patron vieler Stände, so der Seeleute, Schneider, Weber, Metzger, Notare, Advokaten und Schüler. Er wird um eine gute Heirat angerufen, Gefangene erbitten seine Unterstützung, Verlorenes soll durch seine Fürsprache wiedergefunden werden, er hilft gegen falsches Urteil. Bis auf den heutigen Tag ist er Nothelfer und Wohltäter geblieben; als heiter – gütige Gestalt übt ei stärkere Wirkung denn als strafender Niklas – etwa in der Form des Knecht Ruprecht – aus. Besonders den Seefahrern des Mittelalters, den Kaufleuten und Kreuzfahrern, ist es zu danken, dass sich die Kunde über ihn in alle Welt verbreitete. Kaum eine Stadt, in der nicht eine Kirche seinen Namen trägt. Meist wird er in bischöflichen Gewändern dargestellt, drei goldene Äpfel oder Kugeln auf einem Buch tragend oder mit drei Broten in den Händen, mit drei aus einem Bottich aufsteigenden Knaben, mit Anker und Schiff.
Er soll am 6. Dezember 342 gestorben sein, nachdem er zusammen mit anderen Bischöfen auf dem Konzil von Nicäa (325) die arianische Irrlehre verurteilt hatte. – 700 Jahre nach seinem Tod stand er erneut im Mittelpunkt des Geschehens, als Kaufleute aus Bari 1087 seine Gebeine aus der Kirche von Myra stahlen, um sie nach Italien zu bringen. Dort werden sie seit dieser Zeit in der Krypta der Basilika San Nicola in Bari verehrt. Jedes Jahr am 8. Mai wird dort zur Erinnerung an die Überbringung der Gebeine die Statue des Heiligen hinaus aufs Meer gefahren, gefolgt von Gläubigen und Pilgern in zahllosen kleinen Booten. Bei der Rückkehr am Abend findet eine Prozession statt.
So dürftig die wenigen Daten seines Lebens sind, so üppig wuchern dagegen die Legenden. In Bari ist es besonders das wundertätige Manna, das seine Gebeine absondern. Es wird bis auf den heutigen Tag aus dem Grab des Heiligen gewonnen und seine Wunderkraft hatte schon seine Bischofsstadt Myra zu einem berühmten Wallfahrtsort gemacht.
Die Figur des hl. Nikolaus taucht seit dem 6. Jahrhundert in zahlreichen Legenden auf. Am bekanntesten und für die weitere Ausprägung des Nikolaus-Kultes sind vor allem zwei Erzählungen: In der sogenannten Stratelatenlegende (griechisch: stratelatos = Feldherr) rettet er drei unschuldig zum Tode verurteilte Feldherren. Zum Geschenkgeber wurde er durch die Jungfrauenlegende: „Die drei Töchter eines verarmten Edelmannes hatten keine standesgemäße Mitgift und konnten deshalb nicht heiraten. Durch eine Kupplerin gerieten sie in Gefahr, "Unzucht" zu begehen. Zum Teil wird auch berichtet, daß der Vater selbst sie ins Bordell schicken wollte, um so die nötige Mitgift zu verdienen. Davor jedoch bewahrte sie das rettende Eingreifen des heiligen Nikolaus: nachts legte er dreimal heimlich drei Goldkugeln in das Zimmer der drei Jungfrauen, - die ersehnte Mitgift“ Dass der heilige Nikolaus zum Kinderfreund und Schutzpatron der Kinder wurde, verdankt er der Schülerlegende, die wahrscheinlich im 12. Jahrhundert in der Normandie oder in Lothringen entstand. Sie berichtet, dass drei "Scholaren" (=Schüler) von ihrem habgierigen Wirt, einem Fleischer, getötet und in Fässern eingepökelt wurden. Der Heilige erweckt die drei Schüler wieder zum Leben und tauft sie. (Es ist zu vermuten, dass der Arzt Dr. Heinrich Hoffmann sich mit seiner Nikolas-Geschichte im „Struwwelpeter“ sich auf diese Legende bezogen hat.)
Kritische Textanalysen lassen erkennen, dass diese legendäre Figur fiktiv ist; der hl. Nikolaus ist wohl eine Kompilation (= Vermischung) aus zwei historischen Personen: dem Bischof Nikolaus von Myra (heute: Mukla in der Türkei) im kleinasiatischen Raum Lykien, der wahrscheinlich im 4. Jahrhundert gelebt hat, und dem gleichnamigen Abt von Sion, der Bischof von Pinora war und am 10. Dezember 564 in Lykien starb. Kompilation zu einer neuen fiktiven Figur sind in der Lebensbeschreibung der Heiligen keine Seltenheit.
Wann genau die Verehrung des hl.Nikolaus im westlichen Kulturkreis begann, wissen wir nicht genau. Wahrscheinlich muss es im 7./8. Jahrhundert gewesen sein, denn um 800 taucht er in einem Reichenauer Kodex auf und in einem zwischen 755 und 770 erstellten Reliquienverzeichnis in Pescheria (Italien) wird er ebenfalls erwähnt. Um 818 besitzt das Kloster Fulda Nikolaus-Reliquien und die Abtei Kempten weiht 973 die erste Nikolaus-Kapelle. Die erste bildliche Darstellung im Westen zeigt den Heiligen auf Fresken der S.Maria Antiqua auf dem Forum Romanum. Förderung erfuhr der Nikolaus-Kult durch die byzantinische Prinzessin und spätere Kaiserin Theophanu (960 – 991). Sie war Gemahlin Kaiser Ottos II. und Mutter Ottos III. So wie die Franken den hl. Martin, so förderten die Ottonenkaiser die Verehrung des hl. Nikolaus. Während ihrer Regentschaft wurde der Nikolaus-Kult zum gesamteuropäischen Gemeingut.
Seine größte Blüte erlebte der abendländische Nikolaus-Kult vom 13. bis 16. Jahrhundert. Auslöser war die Neustrukturierung des kirchlichen Festkalenders beim Konzil von Oxford, wo der Nikolaustag zu einem Fest der ersten Klasse wurde. Beweise für den außerordentlichen Rang des Heiligen sind die zahlreichen Namensgebungen, die riesige Zahl der Altäre, Kirchen und Klöster, Bruderschaften und Gilden, die den Heiligen zum Patron wählten. Besonders in den Küstenbereichen gab es besonders viele Kirchen für den Patron der Seefahrer und Binnenschiffer.
Etwa ab dem 16./17. Jahrhundert erfolgt auf Kosten der sakralen Verehrung .eine mehr profane, volkstümliche Entwicklung des Kultes. Nicht allein der 30jährige Krieg, auch der Wandel der kirchlichen Auffassungen lieferten hierfür die Gründe. Die Reformation drängte den Heiligenkult zurück; allerdings ist belegt, dass selbst Martin Luther noch 1535 Nikolaus-Geschenke in seiner Familie verteilt hat. Luther verlegte den Schenktermin auf Weihnachten und als Schenkfigur trat das Christkind – eine ikonographische Unperson – an die Stelle von Nikolaus.
(Verfasser: Ulrich Kobelke)