Plankstädter Straßennamen im Wandel der Zeiten
Auch Straßennamen unterliegen einem Wandel, ja sogar manchmal, wenn es sich um geographische Bezeichnungen handelt, die im allgemeinen ja als wert-, ideologiefrei und eigentlich auch unveränderlich anzusehen sind.
Umso häufiger aber kommt es zu Umbenennungen, wenn bei der Namensgebung der Straßen Personen Pate standen, deren Bedeutung unter subjektiver Betrachtungsweise dem Wandel der Zeiten nicht standhält oder nicht standzuhalten scheint.
Auch einige Plankstädter Straßen könnten von diesem Wandel ein Lied singen, so sie der Sprache mächtig wären. Es bedarf keiner großen Phantasie, um nachzuvollziehen, daß Kaiserreich, Weimarer Republik (von Älteren oft auch „Zwischenreich“ genannt) und Nationalsozialismus in diesem Bereich auch in unserer Heimatgemeinde ihre Spuren hinterlassen haben. Die meisten dieser Umstände geraten davon leicht in Vergessenheit, dagegen erhalten sich Straßennamen, die eigentlich nie offiziell waren, die aber der Volksmund unauslöschbar verinnerlicht hat wie z.B. der Viehweg (Leopoldstraße), das Backoffegäßl (Leonhardstraße) oder das Frühmesspädl (Paul-Bönner-Straße) nach Schwetzingen!
So wird schon mancher, der ortsgeschichtlich nicht so versiert war, gegrübelt haben, warum es ausgerechnet in Plankstadt eine Scipiostraße gibt. Welche geheimnisvolle Verbindung mag zwischen dem großen Feldherrn Scipio Africanus d.J. und der badischen Tabakbaugemeinde Plankstadt wohl bestanden haben? - Scipio Africanus, ein vornehmer römischer Patrizier, war Oberbefehlshaber der römischen Truppen in Nordafrika und beendete im Jahre 146 v.Chr. mit der Zerstörung der mächtigen Stadt Karthago den 3. Punischen Krieg, was ihm in der römischen Geschichte zur Unsterblichkeit verhalf. - Die Ungewohntheit des Namens in unseren Breiten läßt sich auch aus mancherlei Geschichtchen ablesen, die darüber gemacht wurden. Am bekanntesten ist wohl das Beispiel von den zwei Gendarmen, die auf ihrem nächtlichen Streifgang einen Bewußtlosen in der Scipiostraße fanden und in kluger Voraussicht beschlossen, ihn erst mal in die Hauptstraße zu tragen, da keiner der beiden wußte, wie er später im Protokoll „Scipiostraße“ schreiben sollte!
Ein Blick in die Ortsgeschichte macht jedoch schnell deutlich, daß der große Römer überhaupt nichts dem Straßennamen zu tun hat! Macht man sich im Ortsarchiv auf die Suche nach den Straßenbezeichnungen, so stößt man auf eine ganze Reihe von Akten, von denen eine den Titel „Benennung der Ortsstraßen“ trägt. Darin springt einem sofort ein mit wunderschöner Handschrift geschriebener Brief, unterzeichnet von Bürgermeister Peter Helmling, förmlich ins Auge. Adressiert ist er an den Kommerzienrat Scipio in Mannheim, in welchem er ihm mitteilt, daß ihm ob seiner großherzigen Spende für die Geschädigten der großen Brandkatastrophe von 1895 im Gemeindegäßchen die Ehre zuteil wird, daß dieses Gäßchen in Plankstadt künftig seinen Namen tragen wird.
Im Jahre 1901 entstand bei der Umlegung des Gewanns Sandgarten die Friedrichstraße; ebenso entstanden im Ortsetter aus den Querstraßen I und II die Luisen- und die Wilhelmstraße. Aus der Viehwegstraße wurde die Leopoldstraße, aus der Kiesgrubenstraße die Ludwigstraße. Am 24. Juli 1922 unterzeichneten Anwohner der Wilhelmstraße eine Eingabe an den Gemeinderat, in welchem sie sich gegen die Umbenennung der Wilhelmstraße in Rathenaustraße heftig zur Wehr setzten. Dabei war dies kein Einwand gegen den ermordeten Weimarer Politiker Walter Rathenau, dies betonten die Bürger ausdrücklich, sondern sie wollten die Erinnerung an den Plankstädter Schmied Wilhelm Wacker gewahrt wissen, der als erster sein Anwesen an dieser Straße erstellt hatte (heute Wilhelmstr. 5).
In einem Antwortschreiben an Wilhelm Wacker bedauerte der Gemeinderat seine Entscheidung, sah sich jedoch nicht mehr zu einer Revision in der Lage. Aus diesem Schreiben geht auch hervor, daß dem Gemeinderat bei seiner Änderungsentscheidung offenbar die Namensgebung nach dem Schmied Wilhelm Wacker nicht mehr gegenwärtig war.
Die Goethestraße hatte früher die Bezeichnung II. Ringstraße und wurde am 30.10.1924 in ihre heutige Bezeichnung umbenannt. Die Straße vom Anwesen des Hauptlehrers Seitz aus in Richtung Schwetzingen erhielt am 19.1.1926 den Namen Friedrich-Ebert-Straße (heute Paul-Bönner-Straße). Ebenso wurde dem Straßenteil von der Heidelberger Straße (heute Schwetzinger Straße) in Richtung Rosentalstraße (Eisenbahnersiedlung) der Name Hebelstraße zugeordnet.
Informativ ist auch ein Leserbrief in der Schwetzinger Zeitung vom 15.10.1927, in dem sich der nicht näher bezeichnete Verfasser über einige Kuriositäten bei der Benennung der Ortsstraßen mokiert. Darin wird ein Aufruf des Deutschen Sprachvereins zitiert, nach dem bei der Straßenbenennung darauf zu achten sei, daß bei den Namen nicht immer nur das ermüdende „Straße“ angehängt wird, sondern auch Worte wie „Pfad, Gasse, Weg, Ring, Graben, Allee usw.“ Eingang finden. In dem betreffenden Leserbrief heißt es weiter: „ Wohl gibt es im Volksmund einen Waldpfad, einen Viehweg, ein Backofengäßl, eine Kreuzgasse, einen Sandgarten und einen Eppelheimerweg. Aber all diese schönen Namen von so erfreulicher Frische fanden bei der amtlichen Umtaufe in der Nachrevolutionszeit keine Gnade. So mußte z.B. Eppelheimerweg partout in Eppelheimerwegstraße und der schöne einfache Waldpfad in Waldpfadstraße umgetauft werden, was allerdings vornehmer klingt. Wer noch keine Wegstraße oder Pfadstraße gesehen hat, wir haben solche! Auch das Gedächtnis des Mannes, der den schönen Schwetzinger Schloßgarten schuf, mußte unbedingt getilgt werden; man schreibt die Karl-Theodor-Straße jetzt Gareisstraße. ...“
Bereits am 31. Oktober 1927 hatte der Gemeinderat ein Einsehen und die Rückbenennung der Waldpfadstraße in Waldpfad und der Eppelheimerwegstraße in Eppelheimer Straße wurde beschlossen.
Am 19. März 1929 bekam die Lessingstraße ihren Namen. Dabei wurde festgelegt, daß die Lessingstraße ihren Anfang am Anwesen Graab nimmt und ihr Ende am Anwesen Sauer (bisher: Bahnstraße rechts) hat.
Am 28. Juli 1931 ging eine Eingabe bei der Gemeinde ein, in der die Rückbenennung der Gareisstraße in Karl-Theodor-Straße gefordert und durch zahlreiche Anwohnerunterschriften bekräftigt wurde. Otto Gareis, der Fraktionsführer der bayerischen Unabhängigen Sozialdemokraten, war 1921 bei einem Attentat erschossen worden.. Der Gemeinderat zeigte sich dem Begehren der Bürger nicht abgeneigt, zumal er anmerkte, daß sich die alten Straßennamen sowieso in der Bevölkerung gehalten hätte. Er schloß daher nicht aus, daß die alten Bezeichnungen wieder eingeführt und die neuen Namen den neu anzulegenden Ortsstraßen gegeben werden sollten. Ausdrücklich nannte er dabei auch Rathenau- und Erzbergerstraße (beide Weimarer Politiker waren Opfer politisch motivierter Morde). In dieser Debatte wird bereits der Geist der neuen Zeit erkennbar, wollten doch die künftigen Machthaber mit den Namen aus den Anfängen der Weimarer Zeit nichts zu tun haben. Nachdem dieser Beschluß dann umgesetzt worden war, meldeten sich sofort die Anwohner der Wilhelmstraße wieder zu Wort und forderten ebenfalls eine Umbenennung in die alte Bezeichnung. Auch diesem Antrag entsprach der Gemeinderat am 13. August 1931. Am 22. September 1931 erfolgte dann die Umbenennung der Erzbergerstraße in die alte Bezeichnung Leopoldstraße auf einen Antrag der NSDAP-Ortsgruppe hin.
Die NSDAP-Rathausfraktion beantragte am 18. Mai 1933 die Umbenennung des Messplatzes vor dem Rathaus in Adolf-Hitler-Platz sowie der Friedrich-Ebert-Straße in Robert-Wagner-Straße. Diesem Antrag wurde im Gemeinderat am 24. Mai 1933 entsprochen.
Im Gewann Sandgarten entstand 1936 von der Luisenstraße vom Anwesen Georg Schwarz aus in Richtung Lessingstraße die Dietrich-Eckart-Straße (heute Beethovenstraße).
Aus einem Schreiben des Mannheimer Bezirksamtes an die Bürgermeister ist zu entnehmen, daß die Gemeinden dafür Sorge zu tragen haben, daß keine Straßenbezeichnungen erhalten bleiben, wenn sich der Namensgeber einer bleibenden Ehrung unwürdig gezeigt haben sollte – natürlich unwürdig im Sinne der nationalsozialistischen Denkweise! - Am 27. Juli 1938 erging die Aufforderung, sämtliche Straßen, die nach Juden oder Mischlingen 1. Grades benannt sind, unverzüglich umzubenennen. In diesem Punkte konnte die Gemeinde Plankstadt Fehlanzeige vermelden.
Als das „Tausendjährige Reich“ bereits nach 12 Jahren in Trümmern lag, gab am 13. Juni 1945 der Landrat den Wunsch der Militärregierung bekannt, daß Straßen und Plätze, die nach Personen, die mit der NSDAP in Verbindung gebracht werden können, nach Möglichkeit in die Bezeichnungen vor 1933 umzubenennen sind. Dabei verwies er auch auf die Möglichkeit der Neubenennung, wenn wie z.B. in Schwetzingen die ehemalige Dr.Goebbels-Straße vom Volksmund scherzhaft bereits in „Krummer Weg“ umbenannt worden war!
So begannen die Umbenennungen von neuem: Aus dem Adolf-Hitler-Platz wurde der Rathausplatz; aus der Dietrich-Eckart-Straße die Beethovenstraße und aus der Robert-Wagner-Straße die Paul-Bönner-Straße. Am 3. August 1945 wurde aus dem Wunsch der Militärregierung nach Rückbenennung ein strikter Befehl an die Bürgermeister mit Rückmeldeaufforderung bis 15. August 1945, daß alle Straßen und Plätze, die nach einer Person des Naziregimes benannt sind, sofort umzubenennen sind. Denkmäler und Standbilder, die das Nazitum und den Militarismus verherrlichen, waren unverzüglich zu entfernen, ebenso alle Hoheitsabzeichen oder ähnliche Merkmale. Wie streng die Militärregierung den Befehl umgesetzt wissen wollte, zeigte sich an einer Anordnung, daß alle Straßenschilder deutlich lesbar sein müssen; die Besatzungsmacht wollte alle Ungenauigkeiten und Mißverständnisse ausschließen und hatte auch für eventuell zu erwartende Ausreden keinerlei Verständnis.
Danach begann auch in Plankstadt zwar nicht der Wiederaufbau, denn es gab ja keine größeren Zerstörungen, jedoch war durch die zahlreichen neuen Mitbürger die Erschließung neuer Wohngebiete notwendig geworden. Am 5. August 1948 wurden der Ehehaltstraße und der Jahnstraße ihre Namen zugeordnet. Damit wurde der Wohltäter Johann Adam Ehehalt geehrt, der im Jahre 1851 eine Stiftung für den Ortsarmenfond getätigt hatte, nach der jeweils vier Wochen vor der Ernte Brot zur kostenlosen Verteilung an die Armen gekauft werden sollte. Daß die verlängerte Leopoldstraße entlang der Sportplätze den Namen des unvergessenen Turnvaters Jahn bekam, ist für jeden nachzuvollziehen.
Im Gewann Altrott wurde im Dezember 1949 die Mozartstraße benannt. Im Jahre 1951 hatte sich der Gemeinderat mit einem Teilstück des Brühlerwegs zwischen Rosental- und Blumenaustraße zu befassen.
Hier wurde von den Bewohnern der Siedlung der Vorschlag „Birkenallee“ gemacht. Der Gemeinderat entschied sich jedoch dafür, die Bezeichnung Brühlerweg bis zur Hebelstraße fortzuführen.
Kleinere Probleme gab es zwischen 1954 und 1957 bei der Namensbezeichnung der Bürgermeister-Helmling-Straße, die zunächst nur Helmlingsstraße, dann jedoch 1957 in Bürgermeister-Helmling-Straße umbenannt wurde, nachdem die Bezeichnung Peter-Helmling-Straße keine Zustimmung gefunden hatte. Mit dem neuen Namen sollte deutlich gemacht werden und für jeden sichtbar sein, wer Helmling gewesen war.
Für den Verbindungsweg hinter der Humboldtschule zwischen Schubertstraße und Altrott war der Name „Gernoldweg“ vorgeschlagen worden, obwohl man über den Ursprung dieser in alten Büchern auftauchenden Bezeichnung nichts mehr wußte. Der Gemeinderat beschloß jedoch, diesen Verbindungsweg Pestalozziweg zu nennen. Für den Ungersgarten war auch der Name „Ungershecke“ im Gespräch gewesen.
Gerade bei Beratung über die Straßennamen in diesem Gebiet wurden in Plankstadt wieder alte Gräben aufgerissen, wie aus einem Protokoll zu einer Gemeinderatssitzung hervorgeht. Hier zeigte sich, wie brisant es sein kann, bei der Namensgebung auf Personen zurückzugreifen, die vor noch nicht allzu langer Zeit noch unter den Lebenden weilten und die teilweise parteipolitisch engagiert waren. Namen wie Peter Helmling, Josef Fleuchaus und Karl Braun führten zu parteipolitischen Auseinandersetzungen der Gemeinderatsfraktionen um die Verdienste und Bedeutung der jeweiligen Personen, wobei man sich gegenseitig Intoleranz oder Parteilichkeit vorwarf. Als dann noch der Name Marienstraße für eine der Straßen ins Gespräch gebracht wurde, wurde die Diskussion gar noch konfessionell geführt. Wollte eine Gruppe jegliche religiös motivierte Namensgebung ausgeschlossen wissen, wiesen die Befürworter darauf hin, wenn sich ganze Völker unter den Schutz Mariens stellen, könne dies auch für eine Straße nicht falsch sein. Am Ende der geharnischten Debatte entstanden dann die Straßennamen „Im Altrott“, die „Schubertstraße“, die „Humboldtstraße“ und der „Pestalozziweg“.
Im Jahre 1961 bekamen die Berliner Straße, die Ringstraße und ‚Am Ungersgarten‘ ihre Namen, die Parallelstraße zur Berliner Straße wurde Breslauer Straße genannt, und schon ein Jahr später wurde die Breslauer Straße in Josef-Fleuchaus-Straße zur Erinnerung an den damals gerade verstorbenen Ehrenbürger der Gemeinde umbenannt.
So läßt sich den Straßennamen unter Zuhilfenahme der alten Akten manche längst vergessene historische Episode entnehmen. Aus der neueren Zeit sind bei der Zuordnung der Straßennamen solche hitzigen Debatten in der Öffentlichkeit nicht mehr bekannt geworden.
(Verfasser: Ulrich Kobelke)