Der "Marshall-Block" war 50 Jahre alt

Marshall-Block

In heutiger Zeit fällt ein Haus wie die Wohnanlage in der Ehehaltstr. 27/29 an der Ecke Antoniusweg gar nicht mehr auf – besonders auch durch in der Zwischenzeit hochgewachsenen Bäume - , im Jahr 1950 war es für Plankstadt aber schon ein großes Vorhaben, als hier der erste Wohnblock in der Gemeinde entstand.

Die Wohnungsnot in den Nachkriegsjahren war groß; bedingt auch durch den Zuzug von ca. 1000 Heimatvertriebenen war die Bevölkerung um 27% gewachsen und Wohnraum musste geschaffen werden. Natürlich waren auch die finanziellen Mittel der Gemeinde damals sehr begrenzt und so war es ein Glück, dass man auf Mittel aus dem Marshall-Plan zurückgreifen konnte. 

Wir erinnern uns: der US-Außenminister George C. Marshall (1880 – 1959) hatte dem amerikanischen Kongress einen Plan für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Europas vorgelegt, das den Einsatz von ca. 10 Milliarden US-Dollar vorsah. Alle am Krieg beteiligten Länder sollten die Möglichkeit erhalten, von diesen Mitteln günstige Darlehen zu erhalten. Die UdSSR und ihre Satellitenstaaten lehnten jedoch ab, da sie fürchteten, in politische Abhängigkeit der USA zu geraten – Vorboten des beginnenden Kalten Krieges. Der Plan zeigte eine Anlehnung an die Truman-Doktrin, nach der der Ausbreitung des Kommunismus Einhalt geboten werden sollte. Die USA und Großbritannien hatten mit dieser Ablehnung durch die UdSSR gerechnet.
Der Marshallplan trug so zur Westintegration Westdeutschlands und – trotz seiner enormen Hilfe für Westeuropa – zur Blockbildung zwischen den großen Mächten bei. Im Vergleich mit den anderen westeuropäischen Ländern war der Anteil Westdeutschlands mit 2,8% relativ bescheiden; nur bei den Nahrungsmittelimporten lag Westdeutschland mit 46,8% an der Spitze. Die Gesamtausgaben des Marshallplanes beliefen sich auf etwa 12,4 Milliarden US-Dollar. Natürlich war die Hilfe nicht ganz uneigennützig; die USA behielten sich ein sehr großes Mitspracherecht bei der Verwendung der Mittel vor. Dennoch können wir von Glück sagen, dass dieser Plan zum Tragen kam anstelle des Vorschlags von US-Finanzminister Morgenthau, nach dem Deutschland ein reines Agrarland werden sollte, um einem künftigen wirtschaftlichen Erstarken Deutschlands für alle Zeiten einen Riegel vorzuschieben.

Auch die Gemeinde Plankstadt kam in den Genuss dieses Wiederaufbauplans – ERP-Plan genannt - und erhielt zum Bau der Wohnanlage an der Ehehaltstraße ein Darlehen über DM 42.000 zinsgünstig zur Verfügung. Die Gesamtkosten für den Bau wurden mit 121.753 DM beziffert. Die Bauleitung lag in den Händen von Professor Stroh; die meisten der am Bau beteiligten Firmen kamen aus der Gemeinde.

Zum gemeindeeigenen Grundstück Lagebuch Nr. 3243 mussten von verschiedenen Besitzern einige Quadratmeter hinzu erworben werden; diese wurden mit dem für heutige Ohren sensationellen Betrag von 2 DM pro Quadratmeter entschädigt.

Da die Amerikaner den Einsatz ihrer Gelder überwachten, reisten Kongressabordnungen durch Europa, um die Wiederaufbaumaßnahmen zu besichtigen. Aus diesem Grunde war die Gemeinde angewiesen, am Objekt ein Plakat anzubringen, das auf die Hilfe durch den Marshallplan hinwies.

An die Mittel aus dem Marshallplan waren Bedingungen hinsichtlich der späteren Vergabe der Wohnungen geknüpft: so durfte der Mieter am gegenwärtigen oder künftigen Arbeitsort keine geeignete Wohnung haben; er musste eine Tätigkeit ausüben, die im Sinne des Marshallplans produktiv war (Industrie, Bergbau, Landwirtschaft, Exporthandel, Schifffahrt) und er musste Heimatvertriebener oder Geschädigter des Krieges sein. Auch hinsichtlich der Bauweise bestanden Vorschriften: so sollte so billig wie möglich gebaut werden, allerdings sollte aus Kostengründen nicht auf den Einbau der dringend erforderlichen Räumlichkeiten wie Küchen, Bäder, Toiletten usw. verzichtet werden.

Das Richtfest fand bereits am 8. August 1950 abends um 20 Uhr im Badischen Hof statt. Jedem Teilnehmer wurden dafür 5 DM aus der Gemeindekasse zugebilligt. Im September wurde über die Zuteilung der Wohnungen befunden und schon kurze Zeit später war der "Zwölfer-Block", wie das Gebäude wegen der 12 Wohnungen auch genannt wurde, bewohnt. Nach heutigen Platzbedürfnissen waren die Wohnungen zwar nicht sehr groß – zwei Zimmer, Kammer, Küche und Bad – besonders dann, wenn die Familie mehrere Kinder hatte, aber nach dem Motto "my home is my castle" waren die meisten sicher froh, endlich überhaupt eine Wohnung gefunden zu haben. Immerhin weisen die alten Akten Wohnungsbelegungen mit bis zu sechs Personen aus.

Damit die Bewohner in der nahrungsmittelknappen Zeit auch Gelegenheit hatten, eigenes Gemüse anzupflanzen, wurde beim Block noch Gelände zugekauft, das dann an die Interessenten verpachtet wurde.

(Verfasser: Ulrich Kobelke)