Plänkschter Geographie
Die Uhren gehen zwar in Plankstadt auch nicht anders als anderswo, aber wer von einem Einheimischen als Ortsunkundiger jemals mit den Grundbegriffen der Plankstädter Ortsbestimmungen vertraut gemacht wurde, dem wird danach der Kopf geschwirrt haben und ob er es richtig begriffen hat, sei dahingestellt.
Will man jedoch in diese geographischen Geheimnisse etwas tiefer eindringen, so spielt der jeweilige Standort des Erklärenden oder Betrachters die wichtigste Rolle, d.h. je nachdem, wo man in Plankstadt wohnt oder bei einer solchen Erklärung gerade steht, kommen natürlich andere Begrifflichkeiten zum Tragen. Bei den nachfolgenden Überlegungen wähle ich der Einfachheit halber den Standort Rathausplatz:
Bleiben wir zunächst im Ort selbst: Völlig klar, daß man in die Siedlung naus geht, während das direkt anschließende ehemalige Ausbesserungswerk schon driwwe (in Schwetzingen) liegt; zu den Sportplätzen, der Mehrzweckhalle, in die Gansweid oder Keesgrieb geht man nunner. Nunner ist auch ein Sammelbegriff für alle Richtungen, die vom Rathaus in nördlicher Richtung gehen, bedingt dadurch, daß es eben von der Oberflächenbeschaffenheit tatsächlich auch leicht abwärts geht; keine Frage also, daß es schon immer "im Waldpfad drunne" oder "im Viehweg drunne" hieß. Naus geht es zum ehemaligen Bahnhof, zum Friedhof, oder zu den Bauernhöfen der Aussiedler, egal, ob diese nun im Jungholz oder im Alsheimer Weg liegen, genauso wie es naus zum Hegenichhof (Patrick-Henry-Village) geht oder wie natürlich auch der Schießstand am Bruchhäuser Weg, die 'Bellen' oder das frühere 'Dreckloch' und das ehemalige Dolle-Loch drauß liegen.
Vor geht es vom Rathaus bis zur evangelischen Kirche oder Kreuzgasse (Eisenbahnstr./Eppelheimer Str.) – allerdings gilt für diese Orte je nach Standort auch drunne ("drunne an der Kreizgass') oder drowwe, während es zur katholischen Kirche vor oder nuff gibt; von der katholischen Kirche in Richtung Schwetzingen geht es schon wieder nauszus und ab dem Ortsende geht's dann niwwer! In den südlich gelegenen Ortsteil (Oberdorf) geht es – vom nördlichen Teil (Unterdorf) aus gesehen – meistens nuff und umgekehrt selbstredend nunner; die Bewohner des Unterdorfs wohnen drunne und die des Oberdorfs drowwe. Schwierig ist der Begriff hinnare einzuordnen; natürlich geht es in die Karl-Theodor-Straße hinnare, aber in der Beethoven-, Goethe-, den neuen Teilen von Schiller- und Bismarckstraße und Lessingstraße im Gewann Sandgarten wohnt man ebenso dahinne wie im Backoffegässl (Leonhardtsstraße) oder im Scipiogässel, wobei die sich an die Scipiostraße anschließenden Helmlingstraße bereits wieder drauß ist. Die Beurteilung, ob das Scipiogässel seinen Namen von 'Gässchen' oder von der angrenzenden Gewann 'Gässeläcker' ableitet, lassen wir an dieser Stelle mal außen vor.
In die Eisenbahnstraße geht man naus (allerdings erst ab Einmündung Luisenstraße, in den anderen Teil geht man eher vor), ebenso wie in den Brühler- Grenzhöfer-, Wieblinger- und Eppelheimer Weg – überhaupt alle Straßen, die aus dem Ort hinausführen.
Das Gebiet Krummgewann zwischen der Lessingstraße und Schwetzingen (Ring-, Berliner-, Josef-Fleuchaus- und Paul-Bönner-Straße), sowie die Gegend Spitzäcker und Schwetzinger Weg links, also um das Caritas-Altenzentrum liegen auch wieder drauß, was damit zusammenhängt, daß zur Zeit der Entstehung der Begriffe diese Gebiete tatsächlich außerhalb des bebauten Ortsetters lagen. Dazu gehört auch der ganze Teil zwischen altem Ortskern und Eisenbahnersiedlung (Schwetzinger Weg rechts, Benzelgrund und Brühler Weg rechts). Die Neubaugebiete Altrott und Neurott liegen natürlich drunne, wie auch das Industriegebiet, wobei hier auch schon mal drauß zu hören ist.
Verläßt man den Ort, wird es etwas einfacher: Niwwer geht es nach Schwetzingen, Oftersheim, Eppelheim, Ketsch, Brühl, Friedrichfeld, Wieblingen und Edingen, wobei allerdings zu beachten ist, daß es zum zwischen Plankstadt und Edingen gelegenen Grenzhof naus geht. Eine Besonderheit bietet auch der Schwetzinger Stadtteil Hirschacker, dorthin geht es nämlich wie auch in die Schwetzinger Kaserne nunner und geht es nach Brühl noch niwwer, so liegt der direkt anschließende Mannheimer Ortsteil Rheinau schon drunne, denn nach Mannheim geht es immer nunner und nach Heidelberg geht es nei (z.B. ein Kranker liegt "drin in der Medizinische"); nach Wiesloch und Sandhausen niwwer, nach Hockenheim, Walldorf sowie in das gesamte "Rallieland" (Gegend von Hockenheim bis Karlsruhe) geht es nuff ("in Hoggene drowwe"), was sich über Karlsruhe, Freiburg bis Basel fortsetzt, während es an den Bodensee und nach Bayern schon wieder nunner geht. Nuff gelangen wir über Mannheim, Frankfurt und Hamburg an die Küste, während es in die Pfalz natürlich niwwer ("driwwe iwwerm Rhei'") geht. Entsprechend wohnen natürlich die Menschen entweder driwwe, drowwe oder drunne! In die Landeshauptstadt Stuttgart fährt man – ja also eigentlich gibt es da gar keinen festen Begriff, vielleicht fährt man als eingefleischter Badener ( Achtung: auf gar keinen Fall 'Badenser', denn diese Bezeichnung haben uns die Schwaben und andere Nichtbadener zugedacht!!!) da besser überhaupt nicht hin und hat deshalb auch bewußt oder unbewußt keine exakte Ortsbestimmung vorgenommen, wer weiß!
Vom Plänkschter Rathausplatz ins europäische Ausland zu kommen ist ganz einfach: nach Frankreich geht's niwwer, ebenso nach England und die übrigen Beneluxländer. In die nordeuropäischen Staaten ganz klar nuff und nach Österreich und in die Schweiz geht's nei ("im Urlaub fahre ma ä bissel uff Ehschdreisch nei"), während Italien, Griechenland und Spanien eher drunne zu orten sind, also muß man dorthin auch nunner (nunner ans Mittelmeer im Gegensatz zu nuff an die Nord- und Ostsee) fahren. Die Verwendung der Begriffe oben und unten für Norden und Süden, womit jeder Geographielehrer zu kämpfen hat, hat sich hier unauslöschlich manifestiert.
In die weite Welt kommt man unter Zuhilfenahme der Plänkschter Geographiebegriffe auch ganz vortrefflich: in die USA niwwer (über den Atlantik) oder auch nei, nach Australien und Afrika nunner. In die osteuropäischen Länder geht's niwwer (spielt da vielleicht die lange und strenge Abschottung eine Rolle?), für Ostasien hört man verschiedene Begriffe, sowohl niwwer als auch nunner. Diese relative Ungenauigkeit mag wohl damit zusammenhängen, daß diese Gebiete in früherer Zeit etwas außerhalb der Vorstellungs- und Gesprächswelt unserer Ahnen lagen.
Daß der Nordpol owwe und der Südpol unne liegt, versteht sich wohl von selbst. Bei solchen Fernziel-Bezeichnungen befindet sich der Plänkschter ja auch in bester Gesellschaft: schon der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe benutzte in seinem "West-östlichen Diwan" den Begriff "weit hinten in der Türkei"!
So – alles begriffen? Es ist natürlich zu berücksichtigen, daß sich durch die Zuzüge und Bebauungen seit den 60er Jahren manche Begrifflichkeiten etwas verlagert und verändert haben. Bei den genannten Bezeichnungen ist das räumliche Denken des alten Plankstadts zugrunde zu legen und so wie sich die Sprache überhaupt immer im Wandel befindet, so geht es auch den Ortsbestimmungen innerhalb der Gemeinde. Ging man früher zur Post nunner (im ehemaligen Gasthaus "Zum Pflug" genauso wie zuvor im Gebäude des heutigen Polizeipostens in der Wilhelmstraße), so muß man heute zur Post naus (in den Brühler Weg). Drauß liegt also praktisch alles, was früher unbebaut war oder auch schon fast drauß lag und drin, das ist der unmittelbare alte Ortskern.
Eine Besonderheit ist beim Rathaus festzustellen: je nach Standpunkt im Ort gibt es natürlich vor oder nuff, wobei der Begriff nuff hier auch allgemeiner und nicht ausschließlich als reine Ortsbestimmung gesehen werden kann, nämlich im Sinne von "auf ein Amt, zu einer Behörde gehen" (Bsp. "die do owwe uff'm Rothaus beschdimme grad was sie wolle ")! Wahrscheinlich spielte bei der Verwendung des Begriffs in diesem Sinne noch das vom alten Obrigkeitsstaat geprägte Denken unserer Vorfahren etwas mit.
Wie eingangs gesagt: alles ist nur eine Frage des jeweiligen Standorts bzw. der überkommenen Gewohnheiten. Wer am Sportplatz oder gar noch weiter drunne wohnt, sieht die Sache vielleicht aus ganz anderen Augen.
Zu guter Letzt: Wie erklärte ein alter Plänkschter den Weg vom Bahnhof in die Stefanienstraße?
"Do fährsch do die Eisenbahnschdroß nunner un do vorne korz vorm Schwardemage – also do beim Grimme-Essisch - biegsch links ab; dann als vor bis ans Rothaus, am Haisl beim Schorsch erschd links un dann beim Hahne-Schuhmacher glei widda rechts, dann als zamme nunner bis zum Schwanzrieme, do biegsch links ab, dann bisch sett! Fahr' awwer ned zu weit, wann bei da Koche-Dutt bisch, dann bisch letz!" –
(Die Lessingstraße, durch die man heute auch fahren könnte, gab es ja noch nicht immer, außerdem hätte man da viel zu viele Querstraßen abzählen müssen, die man überqueren muß!)
Für diejenigen, welche mit unserem Dialekt überhaupt nichts oder vielleicht auch nichts mehr anfangen können, seien folgende Worterklärungen hinzugefügt: naus = hinaus; drauß = draußen; niwwer = hinüber; nunner = hinunter; hinne = hinten; hinnare = nach hinten; dahinne = dort hinten; nuff = hinauf; nei = hinein; drin = drinnen; drowwe = da oben; owwe = oben; drunne = da unten; unne = unten; driwwe = drüben; iwwer = über; nauszus = Richtung Ausgang; set/sett = dort; letz = verkehrt.
(Verfasser: Ulrich Kobelke)